Eva Franz ist eine kleine, freundliche Person mit einer warmen Ausstrahlung. Als sie auf dem Podium in der Mensa des Jenaplan-Gymnasiums Nürnberg Platz nimmt, schlagen ihr die Herzen der Mittel- und Oberstufler entgegen. Was man ihr aber auf den ersten Blick nicht ansieht: Diese liebenswürdige, ältere Frau hat viel Leid gesehen und durchlebt. Eva Franz, geborene Christ, ist Zeitzeugin des Holocaust und hat als Kleinkind ihre Mutter, Schwester und einen Großteil ihrer Familie in nationalsozialistischen Vernichtungslagern verloren. Und weil es heute noch Leute gibt, die ihr „Böses“ wollen, will sie auf Fotos und Bildern nicht erkennbar sein.
Sie ist erst zweieinhalb Jahre alt, als sie mit Vater, Mutter und Schwester ins sogenannte „Zigeunerlager“ von Auschwitz-Birkenau kommt. Ihre Familie hatte einen deutsch-romanesken Hintergrund, sie selbst bezeichnet sich als Sinteza. So werden die deutschsprachigen Roma (Sinti) genannt. Die Nationalsozialisten verfolgten Minderheiten aus vorgeblich „rassischen“ Motiven und ermordeten bis zum Ende ihrer Gewaltherrschaft die Hälfte aller in Europa lebenden Juden, Sinti und Roma.
Die erwachsene Eva erinnert sich noch genau an den Schmerz, den ihr die Tätowierung ihres Unterarms mit einer heißen Feder verursachte. Fortan ist sie Nummer 4167. Eine „praktische“ Erfindung der Lager-Bürokratie, denn Namen waren ja austauschbar, erklärt Birgit Mair. Da Eva, Jahrgang 1940, die Zeit in drei Lagern als Kleinkind erlebte, berichtet sie auch viel aus den Erzählungen des Vaters und einer weiteren Insassin, die sich nach dem Tod der Mutter um sie kümmerte. An einiges kann sie aber noch selbst erinnern. Manches bleibt distanzierter Schrecken, etwa wenn ihr die Mutter beim Anblick der rauchenden Krematorien erklärt, hier werde Brot gebacken. Doch die schmerzhaften Momente wie der plötzliche Tod der vom harten Arbeitslager in Ravensbrück entkräfteten Mutter oder die Auspeitschung des Vaters auf dem Appellplatz, als er dabei erwischt worden war, Essen für seine Familie zu organisieren, überwältigen die 78-jährige immer wieder. Sie muss zum Taschentuch greifen und auch längere Pausen machen, um dann doch mit erstickter Stimme fortzufahren.
Ergreifende Stille herrscht bei den Schülerinnen und Schülern während des Vortrags. Eva Franz gibt keinen Geschichtsunterricht, sie schildert aus ihrem Leben – unmittelbar und unverfälscht. Dabei konnte sie es ihren Kindern selbst nie erzählen, sagt sie in der abschließenden Fragerunde. Erst die Enkel nehmen dieses Erbe auf und unterstützen sie. Und wie es nun sei, vor fremden Kindern darüber zu sprechen, will ein Schüler wissen. „Nun, es tut weh“, sagt Eva Franz. „Heute Nachmittag bin ich wieder geschafft. Aber ich tue das für euch!“ Die Herzen der Kinder und Jugendlichen hat sie gewonnen, viele verabschieden sich persönlich von der tapferen Frau.